#1 Die Idee.

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I.

Kennt ihr das? Auf Zugfahrten den Blick lange nach draußen schweifen lassen? Ich tue das gerne.  Mit freier Sicht durch die großzügig bemessenen Fenster des „erixx“ zum Beispiel. So lautet der Markenname des Regionalzugs 38 zwischen Hannover und Buchholz. Diese Strecke durch die Lüneburger Heide fahre ich seit einigen Jahren immer wieder hin und her. Ich kenne die Landschaft  rechts und links der Gleise. Kenne die Bahnstationen, Merkmale in der Landschaft, Veränderungen wie Konstanten. Suche immer noch neugierig die Bisons auf den Weiden bei Essel, die Kamele am Rande des Serengetiparks bei Hodenhagen oder die eingepferchten Alpakas (oder sind es Lamas?) in Soltau. Schaue nach den markanten Windrädern vor Walsrode, nach dem Schild des urigen Lebensmittelladens von Max Manke in Wintermoor, schaue, an wievielen Wohncontainern der Flüchtlingsunterkunft in Handeloh die Jalousien hochgezogen sind.

Die langgezogenen, mit schwarzer Folie abgedeckten Erdwälle der Spargelfelder warten gerade auf warme Frühlingstage, das feingliedrige rote Geäst der Heidelbeerplantagen auf grüne Blätter. Über sie hinweg fliegen die ersten Kraniche des Jahres. Ihre Ankunft im Frühjahr und ihre lauten Rufe, wenn sie im Herbst, die beginnende Kälte hinter sich lassend, wieder gen Süden ziehen, lassen mich tief aufatmen. Eine Konstante in der Natur, die beruhigend auf mich wirkt in Zeiten, in denen so vieles grundlegend in Veränderung begriffen ist.

Die letzten Tage hat es immer wieder geregnet, ein Sturmtief fegte von der Nordsee kommend über die Norddeutsche Tiefebene. So ist die Heide oberflächlich gerade ziemlich feucht. Auf Äckern steht das Wasser, die Farben des Himmels spiegelnd, sumpfige Wald- und Wiesenflächen wechseln sich ab. Doch die Aller an der Brücke bei Schwarmstedt, die ich eigentlich nur prall gefüllt kenne, scheint von den Regenfällen nichts abbekommen zu haben. Ein gesunkener Wasserspiegel legt die sonst an den grünen Uferbewuchs heran reichenden Böschungen frei. Schlamm und Steine, jetzt sichtbar, schimmern von Schwarz bis Dunkelgrau, heller werdend, wo abgelagertes Sediment bereits trocknet. Die meisten der schmalen Bäche und Wasserläufe, die die Bahnlinie auf der Fahrt querten, gaben vor Tagen ein ähnliches Bild ab. Jetzt sind die Gräben prall gefüllt, fließen die graubraunen Wasser schnell.

Meine Augen versuchen, die zerrupften Ränder grauer Regenwolken über dem Horizont zu fokussieren. Dahinter öffnet sich ein weiter blauer Himmelsraum mit darüber hinweg ziehenden weißen sonnenbeschienenen Cumuluswolken. In sie hinein lasse ich meine Gedanken schweifen. Das Thema Wasser und Wasserläufe wird mich in den nächsten Jahren auf einer langen Reise begleiten.  Die Geschichte dieser Reise werde ich mitten in der Heide beginnen lassen, auch wenn mich meine vorgesehen Route nur am Rand durch diese markante norddeutsche Landschaft führen soll. Meine besondere Wegeführung will es so. Doch den Prolog werde ich in ein kleines Tal legen, dessen Anblick  den romantisierenden Bildern von der Lüneburger Heide recht nahekommt.

II.

Die pandemische Plage hat Deutschland fest im Griff. Worte schwirren seit einem Jahr durch mein Leben, die ich noch nicht kannte. Alle Menschen benutzen sie, unterwürfig, verächtlich oder ängstlich, sachlich oder vorwurfsvoll, trotzig, ungläubig, kritisch, belehrend oder ablehnend. Lockdown, Homeschooling, Vakzin, Herdenimmunität, Triage, medizinischer Mund-Nasen-Schutz, Inzidenz, R-Wert, Impfstopp, PCR-Test, Corona-Verordnung. Fast scheint der Kopf zu bersten von all den neu ins Leben getretenen Begrifflichkeiten und ihren Bedeutungen, Widersprüchlichkeiten, Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten bis hin zur Vernichtung von Existenzen, bis hin zum Tod, herbeigeführt durch ein Virus. Auch das bis vor kurzem noch unbekannt. Dieser, unserer Natur entsprungen, der wir alle und alle, die uns nachkommen werden, unauflöslich auf ewig verbunden sind. Schöne Scheiße.

Was fange ich damit an? Ich lehne mich nicht auf. Es ist nicht leicht, die Herausforderungen eines stark eingeschränkten Lebens anzunehmen. Es gehört ein dickes Fell dazu. Aber irgendwie müssen wir ja da durch.

III.

Ich nehme mir etwas vor. Eine Herausforderung. Ich will einen Blog gestalten und schreiben. Dazu muss ich einiges lernen. Neue Techniken begreifen. Meinem Gehirn und meinen Nerven einiges zumuten. Dazu scheint mir die aktuell stillgelegte Zeit geeignet. Also fange ich an. Worum geht es? Ich habe mir eine Reise mit dem Fahrrad, zu Fuß oder wie auch immer vorgenommen. Nach und nach will ich davon erzählen. Ein wenig wie in meinem Buch „Alter Mann im Bus“ über eine Reise mit Öffis durch Deutschland, das ich im letzten Jahr, schon bedrängt von den ersten pandemischen Zumutungen noch beenden und veröffentlichen konnte. Sobald es wieder möglich ist, werde ich mich entlang von natürlichen und künstlichen Wasserläufen rund um Deutschland bewegen. Nicht sportlich, sondern gemütlich. Mir Zeit lassen. Dieser Blog wird sich allen Empfehlungen zum Trotz auch Zeit lassen, ruhig daher kommen. Ich will nicht eilen.

Es sollen wieder Bilder dazugehören. Dann, wenn ich unterwegs sein kann. Das Reisen findet gerade nur im Kopf statt, auch mit Bildern nur im Kopf. Und mit dem Finger auf der Landkarte. Das regt meine Phantasie an. Schon immer sind meine Reisen vor dem Start schon einmal auf diese Weise von mir gefahren worden. Die Phantasie gehört dazu. – Ich freue mich auf die kommende Bildarbeit. Mit Fotografien, Originaltonaufnahmen und vielleicht auch kurzen Videos. Die Ausrüstung dazu wird schon einmal zusammengestellt. Trockenübungen beginnen als Vorbereitung, jenseits der bisherigen Routine. Kopfarbeit als Gehirnjogging. Wie das ganze Projekt.

IV.

Hier und heute bleibt der Platz für Bilder noch leer.

Von mir verfasst im März 2021. Seid alle gegrüßt.Bis zum nächsten Mal. Euer ‚Alter Mann am Fluss’.